Die HappyTimes-Kolumne des Baselbieter Schriftstellers Claude Lachat.
Ich benutze Dich!
Es gibt sie tatsächlich, jene die sie konsequent verweigern. Ich nicht! Ich bin da schmerzfrei. Sie haben es verdient nicht beachtet oder benutzt zu werden. Als Notnagel sind sie mir sogar noch lieber. Dann, wenn mein Bedürfnis am grössten ist. Dann, wenn ich es unbedingt hineinschieben will. Weil ich es brauche! Ich liebe dieses Geräusch, wenn es richtiggehend hineingezogen wird. Auch das Geräusch danach hat es in sich. Sanft, beinahe schwebend gleitet es hinaus, direkt in die Hand. Sanft und zufrieden wird es dem Tageslicht wieder zugeführt. Merci für die herrlich entspannten Dienste. Merci für den Wohlfühlfaktor.
Dennoch, diese Dinger werden doch tatsächlich lebenden Geschöpfen vorgezogen. Man fragt sich schon, wie weit die Menschheit gekommen ist. Vor Jahren wäre wir alles ausgelacht worden, hätten wir uns zu ihnen bekannt. Naja, es macht ja auch Spass sie zu benutzen und zu wetten, ob es noch reicht, ob sie dich befriedigen oder gar auslachen. Ab und an sind diese Seelenlosen schwierig zu finden. Ab und an kann es passieren, kaum hat man sie gefunden, dass bereits einige dieser menschenscheuen eine lange Schlange davor bilden und nervös von einem Fuss auf den anderen treten. Im Geiste rechnen sie stumm nach, wie viel sie benötigen, wieviel sie auszugeben gedenken. Ob es wirklich reicht oder ob sie sich in Kürze wieder anstellen, um ihre Gelüste zu befriedigen. Ins Gespräch kommen sie nicht, weil ja menschenscheu.
Das Ganze spielt sich immer sehr anonym ab. Höchst selten kommt es vor, dass man ein Gesicht wieder erkennt. Nur, in die Augen sieht dir keiner. Vor allem nicht, wenn es nicht befriedigend war. Es erzählt keiner, wie er es empfunden hat. Manchmal fluchen sie und ziehen stumm von dannen, ohne ihre Dienstleistung in Anspruch genommen zu haben. Das freut den Nächsten. Jeder ist sich selbst der Nächste. Das höchste der Gefühle ist das Mitleid und zwar genau dann, wenn es wie aus Kübeln schüttet. Das Mitleid wird einem, mit einem was sonst, mitleidigen Blick unter dem Schirm entgegen gebracht. Nass wird man trotzdem. Keiner bietet Dir Schutz, denn Du bist ja selber schuld, dass es Dich zu ihr treibt.
Und sie? Kalt und gefühllos locken und verführen sie dich beinahe zu jeder Tages- und Nachtzeit. Warum man sich das antut? Weil wir süchtig danach sind. Weil wie ohne sie nicht atmen können. Weil sie spät nachts für einem da sind. Weil sie mittlerweile fast an jeder Ecke stehen und auf uns lauern. Man steht dann als Nummer 11 hinter einem von da und einem von dort und rechnet heimlich aus, wie lange es ungefähr dauern wird, bis man endlich an die Reihe kommt. Wenn jeder nur 2 Minuten benötigt um seinen Drang zu erledigen dann… Oh mein Gott, dann mag sie vielleicht nicht mehr. Vor allem wenn mein Vorgänger nicht weiss, wievielmal hintereinander er kann. Ob er überhaupt so viel Stehvermögen besitzt. Es ist ein Graus und Segen zugleich, dass es weltweit unzählige Bancomaten gibt. Und sie rufen dir alle dasselbe zu:
Benutze mich!
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